Franzi’s Welt: Leben in drei Zuhausen – wo bin ich hier?
„Our family life is somewhat unique due to profession“. So beschrieb meine Hostmum es in ihrer Bewerbung. Im folgenden Absatz gab sie mir eine grobe Erklärung dieser „einzigartigen“ Lebenssituation. Der Job meines Hostdads in Connecticut, ihre beiden in South Carolina und Washington State (viel weiter kann man eigentlich kaum über die USA verteilt sein). Und die Tatsache, dass meine Gasteltern dadurch nicht nur ständig reisen, sondern auch die Kinder mitnehmen. Zwischen zwei und sechs Wochen verbringen wir meistens in einem Zuhause, dann geht es weiter zum nächsten.
Für die Kinder heißt das: drei Schulen, drei Gruppen Freunde, drei Kinderzimmer, drei Sets an Spielzeugen, dreimal so viele Hausaufgaben (zumindest fast), ganz viel Zeit im Auto oder Flugzeug und immer wieder Fragen wie „Wie lange bleiben wir noch hier? Wann müssen wir wieder packen? Wann fahren wir nach…?“ auf den Lippen.
Für mich heißt das drei Alltage und Routinen, drei Gruppen Freunde, drei Au Pair Zimmer, ständiges Ein- und Auspacken, räumen und sortieren, ganz viel Zeit im Auto oder Flugzeug und immer wieder Fragen wie „Was kann man da in der Nähe noch machen? Welcher Wochenendtrip steht als nächstes an? Von wo kann ich die billigsten Flüge an ein Traumziel buchen?“ im Kopf.
Nach über einem Jahr, kann ich mir ein anderes Leben schon kaum noch vorstellen. Au Pair zu sein, heißt für mich, drei Zuhause zu haben, drei Leben zu führen. Das ist aufregend, macht Spaß. Das bedeutet, dass Alltag oder Langeweile für mich Fremdworte geworden sind. Kleine Tiefs lassen sich super mit Vorfreude ausgleichen, mit dem Gedanken: „In einer Woche bist du schon in… In ein paar Tagen siehst du schon … wieder.“ Ich sehe die USA noch einmal mit ganzen anderen Augen, erlebe die Unterschiede zwischen Norden und Süden, zwischen Westen und Osten (und davon gibt es einige!), nicht nur als Touristin, sondern lebe sie, bin in ihnen zuhause. Im Gespräch mit anderen, merke ich immer wieder, wie viele Erfahrungen ich hier gesammelt habe, wie viele Erlebnisse an diesen Zuhausen hängen. Sätze wie: „Ja, das mache ich immer in South Carolina.“ Oder „Letzte Woche in Seattle habe ich…“ kommen mir ganz selbstverständlich über die Lippen.
Aber so schön, spannend und kosmopolitisch wie es klingt, ist es bei weitem nicht immer. Kein Alltag, heißt eben auch oft keine Ruhe. Nach fünfzehn Stunden Autofahrt oder 7 Stunden Flügen und drei Stunden Zeitverschiebung mit drei kleinen Kindern, möchte man eigentlich nur schlafen, alleine sein, mit niemandem reden. Aber es geht immer weiter. Auspacken, Kinder in die Schule bringen, mit Hausaufgaben aufholen, Aktivitäten koordinieren, mit Freunden treffen. Und am Wochenende steht schon der nächste Trip an, denn man ist ja nicht lange da, man muss ja das meiste aus der Zeit rausholen, keine Sekunde darf verschwendet werden. Nach über einem Jahr bin ich nicht nur reiseverwöhnt und abenteuersüchtig, sondern mir auch der Schattenseiten eines solchen Lebens bewusst. Rastlose, übermüdete Kinder. Überwältigung und Überforderung. Das Gefühl, immer wieder von vorne anfangen zu müssen, vergessen worden zu sein.
Denn wie findet man Freunde, wenn man direkt nach der Vorstellung, den Satz: „Ich lebe aber nicht immer hier“, hinterher schieben muss? Natürlich hat man immer was zu erzählen, ist das erstmal interessant. Aber es schreckt eben auch ab, denn wenn man alleine als Au Pair ins Ausland geht sucht man doch nach etwas beständigerem als einer On/Off Freundschaft. Heißt das, dass ich zu einer umherpendelnden Einsiedlerin wurde, deren soziale Kontakte nur aus oberflächlichen Au Pair Treffen bestehen? Nein. Es ist einfach, als Au Pair neue Leute kennenzulernen, aber schwierig, echte Freundschaften zu schließen. Immer und für jeden. Mein „Zigeunerleben“, wie meine Oma es nennt, macht das sicher noch etwas komplizierter, aber auf keinen Fall unmöglich. Denn wer offen ist, wer mich mag und bei wem die Chemie stimmt, der wartet auch ein paar Wochen bis zum nächsten Treffen, hält einen auch über WhatsApp oder Facebook auf dem Laufenden. Und wenn m an Glück hat, wird man an einem anderen Wohnort besucht oder trifft sich in der Mitte.
Wie es nun also ist, mehrere Zuhause zu haben? Spannend, wunderbar, bereichernd, ermüdend, anstrengend, schwierig, einzigartig und ich möchte es für nichts anderes eintauschen. So wie wohl jedes (Au Pair) Leben. Denn jeder Mensch, jede Familiensituation, jedes Leben hat etwas Einzigartiges, etwas Besonderes an sich. Auch wenn es nicht immer so offensichtlich ist wie bei mir und meiner Gastfamilie.
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