LIVE #16: Grüße aus dem Reich der Mitte
Seda gibt uns einen kleinen Rundumschlag über ihr Leben als Au Pair in China. Von anfänglichen Sorgen, über das Busfahren bis zum Essen ist von allem etwas dabei! Nur mal so am Rande: An unserem Au Pair China Programm können auch Jungs teilnehmen!
Ich bin Seda Isabell Fedde, mein chinesischer Name ist 静丹 (jìan dan) er bedeutet leise Pfingstrose. Jian heißt auf chinesisch leise und dan ist das Endsymbol von dem chinesischen Wort Pfingstrose. Ich bin 20 Jahre alt und komme aus Hamburg. Zurzeit befinde ich mich in einem Kulturaustausch für 6 Monate zwischen einer chinesischen Familie und mir. Ich lebe hier in Hangzhou, China und meine Familie besteht aus insgesamt 10 Personen, dazu gehören meine Host Kinder Simon (10), Yoyo (5), Coco (4), meine Host Mutter, mein Host Vater, meine Host Tante, mein Host Onkel, meine Host Oma, mein Host Opa und die Putzfrau.
Viele denken sich jetzt wahrscheinlich, „Wow ist das eine riesige Familie!“ und sie haben womöglich recht, aber ich liebe es. Man sitzt nie allein und gelangweilt rum, man hat immer den Wechsel zwischen der englischen Sprache und der chinesischen und vor allem bekommt man das richtig chinesische Familienleben zu spüren!
Aller Anfang ist jedoch schwer, so sagt ein altes Sprichwort und ich möchte es auch nicht verheimlichen. Am Anfang als ich ankam hieß es nämlich „Ich will sie nicht, ich mag sie nicht, sie soll gehen.“, war also nicht wirklich der nette Empfang den ich mir gewünscht hatte.
Ich muss aber zu geben, ich kann die Kinder verstehen. Ich komme aus dem Nichts in die Familie, sehe anders aus, spreche eine andere Sprache und soll auch noch ein Geschwisterteil sein? Unmöglich.
Nach einer gewissen Zeit jedoch spürt man das man zur Familie gehört und auch die Kinder spüren das man für eine längere Zeit dort bleibt. Man frühstückt zusammen, man spielt zusammen, man verbringt Abende miteinander und vor allem fällt man zusammen und baut sich zusammen wieder auf. Es hat zwar ein paar Monate gedauert, aber jetzt wollen die Kinder mich nicht mehr gehen lassen. Am Anfang hies es „Ich will sie nicht!“, jetzt heißt es „Geh bitte nicht!“ und darauf bin ich stolz.
Wenn es um das Stadt leben geht, muss ich sagen das es einfacher ist als ich es mir vorgestellt habe. Ich kann kaum die chinesische Schrift lesen jedoch fahre ich Tag täglich Bus und Bahn. Es gibt schnelle und einfache Tricks.
- Bushaltestellen zählen
- Busnummern merken
- Taxi’s (Wenn man wirklich verloren geht, in Hangzhou fahren überall welche und sie sind wirklich günstig)
Wenn ich mich zurück erinner an die Tage als China erst eine Überlegung war, hatte ich die typischen Vorurteile wie jeder andere auch. Jeden Tag Reis, schlechte Luft und vorallem essen sie Hundefleisch.
Jetzt wo ich hier bin denk ich total anders!
Das Essen hier ist so gut, dass ich mit dem Rezepte schreiben gar nicht mehr hinterher komme. Ich texte meine Eltern zu, was sie alles probieren müssen, was sie alles nach kochen sollen und das ich die Art und Weise des Essens genau so Leben möchte wie die Chinesen. Wenn es zum Thema Hundefleisch kommt, stelle ich mich hinter die Chinesen denn es gibt Regionen die essen Hunde aber es gibt halt eben die Mehrheit die es nicht tun und die auch dagegen sind. Es ist ein großes Diskussionsthema.
Wenn es ums Thema Kulturschock geht, habe ich kaum welche erlebt. Ich hatte mir viel mehr Gedanken gemacht und auch viel mehr Angst als nötig war. Durch diesen Trip nach China lernt man nicht nur die chinesische Kultur kennen sondern man lernt seine Eigene und das habe ich jetzt kurz vor dem Ende erst bemerkt.
Ich bin strikt, organisiert und nicht unbedingt biegsam um ehrlich zu sein. Ich will nicht behaupten das alle Deutsche so sind aber ich habe für mich herrausgefunden wie ich denke und wie ich lebe. Die Chinesen sind dagegen locker, spontan und total gelassen. Genau das Gegenteil von mir somit gab es eine Situation die für mich zu viel war.
Es war Samstag und meine Host Mutter kam auf mich zu und erklärte mir das wir in eine andere Stadt, ungefähr 3 Stunden entfernt, Lorbeeren pflücken gehen und wir eine Nacht dort verbringen würden. Ich hatte ihr eine Woche vorher bescheid gegeben das ich am Sonntagabend auf einen Geburtstag von einem anderen Au Pair eingeladen wurde und sie gab mir das OK. Sie erklärte mir das wir am Sonntagvormittag wieder zurück fahren würden damit ich zu dem Geburtstag gehen konnte. Ich fande die Idee mit dem Lorbeeren pflücken sehr gut somit stimmte ich zu und packte meine Tasche für einen Tag. Am Sonntagvormttag jedoch fuhren wir nicht nachhause, wir fuhren zu Freunden von ihr. Sie erklärte mir das wir nicht nach Hangzhou zurück fahren würden. Sonntagabend waren wir dann in einem neuen Hotel und fuhren erst Montagnachmittag nach Hangzhou zurück. Ich hatte kein Problem damit das ich nicht zum Geburtstag gehen konnte, mein Problem war eher das wir 3 Tage in der anderen Stadt verbracht hatten und ich meine Tasche für einen Tag gepackt hatte. Da bemerkte ich wie organisiert und total unspontan ich eigentlich bin und wie spontan die Chinesen sind. Ebenfalls erinnerte mich mein Vater dran, dass Chinesen ihr Gesicht wahren müssen und die Host Mutter mir nicht direkt in Gesicht sagen wollte das ich nicht zum Geburtstag gehen könne denn das hätte mir einen schlechten Eindruck von ihr gegeben. Dies war mein größter Kulturschock.
Um alles genau Zusammenzufassen, ich bereue diese Reise nicht! Ich kann es nur jedem empfehlen seine eigenen Erfahrungen zu machen, man lernt nicht nur die chinesische Kultur kennen, man lernt sich selbst kennen und das ist was mir am Wichtigsten ist. Ich habe hier so viele neue Freunde gefunden, die ich nach der Reise aufjedenfall wieder sehen will, man halt Leid geteilt und man hat Freude geteilt. Ich habe mir auch fest vorgenommen noch einmal nach China zu kommen, meine Host Familie wieder zu sehen und noch mehr von diesem riesigen Land kennenzulernen. Ich liebe es und ich fühle mich in diesem Land richtig wohl!
– Seda

