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Weder hier, noch dort – Ein Au Pair kehrt heim

Christina erzählt von ihrer Heimkehr nach Deutschland. Ehrlich, ergreifend, emotional. So könnte man ihre Artikel zusammenfassen, mit denen sich eine Menge ehemaliger Au Pairs identifizieren können.

Rückblick, Boston Juli 2015

Mein letzter Monat ist angebrochen. Mein letzter Monat in Amerika. Mein letzter Monat „Abenteuer Ausland“. Und was kommt nach diesem letzten Monat? Nach dem Abenteuer, nach dem vielen Reisen, nach dem „Freundschaften für immer schließen“, Erfahrungen fürs Leben sammeln. Weiter leben. Aber wie? Weiter leben als wäre nie was gewesen, als wäre man plötzlich nicht mehr weg gewesen? Weiter leben und in alten Erinnerungen schwelgen, auf einmal das vermissen was man eben noch verflucht hat. Kindergeschrei, Hintern sauber machen, Spielzeug aufräumen, Tränen wegwischen, Wunden verkleben, Kinderlieder singen – die tägliche Arbeit, die man selbstverständlich 1 Jahr geleistet hat.

Der letzte Monat ist angebrochen

Auf einmal ist die Arbeit schön, man macht sie gerne, die Kinder sind wie die Eigenen, Sie sind einem ans Herz gewachsen, man lacht und weint mit ihnen und wenn Sie sagen „du darfst nicht gehen“ zerbricht man in alle Stücke und weiß nicht wie man das kleine Kinderherz nicht verletzen und gleichzeitig ehrlich sein kann. Sie schauen dich an, die süßen und strahlenden Kinderaugen. Sie schauen zu dir hoch, sie haben dich gern, sie werden dich vermissen und vor allem werden sie dich nie vergessen. Und ich? Werde ich sie vergessen?

Der letzte Monat eines Au Pairs gehört zu den spannendsten des ganzen Jahres. Meist stehen einem die größten Reisen bevor, die größten Abschiede und vor allem: die Rückkehr. Ein ganzes Jahr habe ich darauf gewartet, irgendwann wieder ins Flugzeug zu steigen, mit dem Gedanken „I’m coming home!“ Und die ganze Zeit war dieser Tag so weit entfernt, wie die Sonne vom Mond, wie Boston von Bonn. Endlos weit und doch so nah.

Homecoming 1

Irgendwann war es doch so weit

Ich wachte das letzte Mal in meinem Bett auf, machte mir das letzte Mal Frühstück, spielte das letzte Mal mit den Kindern. Ob die wohl verstehen, was heute passiert? Nein. Kinder sehen die Welt nur mit positiven Augen. Sie glauben ich würde wiederkommen. Mal wieder nur für ein Wochenende verreisen. Oder aus ‘nem Flugzeug springen und mit dem Fallschirm unten wiederaufkommen. Für sie werde ich für immer IHR Babysitter sein. Wirklich für immer?

Es war der letzte und schwerste Tag. Es war der schönste. Es war der Tag, an dem ich endlich begriffen habe, was mir das letzte Jahr bedeutet und gebracht hat. Es war der Tag auf den ich so lange gewartet habe. Ich wollte während des Jahres immer mal wieder nach Hause, hatte Heimweh, war verzweifelt und mit den Nerven am Ende. Und jetzt, am letzten Tag, wollte ich nicht einmal mehr in dieses Flugzeug steigen. Ich wollte bleiben, das Abenteuer weiter erleben, mehr entdecken.

Homecoming 3

Doch wenn’s am Schönsten ist…

Mein Ticket war schon längst gebucht. Ich bin durch den Sicherheitscheck geschlichen wie ein Terrorist. Ich wollte da nicht durch. Ich wollte doch gar nicht Heim. Leider haben Sie mich nicht aufgehalten. Ich musste ins Flugzeug steigen und wurde von allen Menschen komisch angeschaut. Ich habe geweint wie am Spieß, habe mir Fotos von meinen Jungs angeguckt, von meinen Freunden, meinen schönsten Momenten und ich habe weiter geweint. Wie kann das sein? Die Kids haben mich so oft zur Weißglut getrieben, und doch habe ich sie so gern.

Und sobald die Flugzeugtüren geschlossen wurden, wurde auch mein Kapitel „Abenteuer Amerika“ geschlossen. Irgendjemand hat das Buch einfach zu geklappt. Hat er mich überhaupt gefragt ob ich schon fertig mit dem Kapitel war? Ich musste es sein. Ich kam viel schneller auf deutschem Boden an als ich dachte, als es mir vielleicht lieb war.

Homecoming

Natürlich ist man überwältigt, wenn man seine Liebsten am Flughafen wieder in die Arme schließen kann. Man kann es gar nicht begreifen. Es ist so anders und doch so gleich. Es hat sich nichts verändert. Außer man selbst. Man kehrt nicht so zurück wie man gegangen ist. Man sieht die Welt mit anderen Augen. Man sieht sich selber anders als vorher- doch wie sehen dich die Anderen?

Du bist der Mittelpunkt der Erde- für einen kurzen Moment. Alles und Jeder interessiert sich für dich, will alles wissen und erfahren. Jede Kleinigkeit und Einzelheit, nichts verpassen. Es langweilt dich. Du erzählst deine Geschichten zum 10. Mal. Dann zum 20. Und es hört nicht auf. Du stehst im Mittelpunkt, für einen kurzen Moment.

Und dann kehrt der Alltag ein

Du gewöhnst dich an die Sprache, die Leute kennen deine Geschichten, sie interessieren sich nicht mehr für dein Abenteuer. Und irgendwann interessiert es dich auch nicht mehr. Der Alltag kehrt ein. Man beginnt zu arbeiten, läuft selbstverständlich durch die Straßen, man kennt sich aus. Man fängt an sein altes Leben auszublenden, nicht mehr dran zu denken, das Kapitel abzuschließen. Man fängt an sich zu fragen, ob es richtig ist, dass man nicht mehr so oft an das Abenteuer denkt. Ob es okay ist, nicht mehr im engen Kontakt zu den Leuten zu stehen, mit denen man ein Jahr vorher alles geteilt hat, mit denen man gelacht und geweint hat.

Aber nicht nur für mich geht mein Leben weiter – auch für die anderen. Ob die auch so denken wie ich? Ob sie mich vermissen? An mich denken? Auf die Zeit zurückblicken, in der ich noch eine Rolle in ihrem Leben gespielt habe. Und dann kommt irgendwann die Antwort. Man tritt wieder in Kontakt mit den Leuten aus dem Abenteuer. Die Kids reden immer noch von mir, nennen das neue Au Pair „Christina“, selbst mein Gastvater hat seine Schwierigkeiten mit den Namen. Man hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Man bekommt zu spüren, dass man vielen Leuten was bedeutet hat. Dass man nicht unwichtig war.Homecoming 2

Was bleiben wird

Es ist schön zu wissen, dass man immer noch ein Teil des Lebens der Anderen ist. Auch wenn es nur Erinnerungen an ein Kapitel des Lebens sind. Auch ich habe diese Erinnerungen, und sie werden zwar nicht täglich- aber wöchentlich geweckt. Oder vielleicht auch nur einmal im Monat. So kommt es auch, dass ich erst heute, ca. 3 Monate nach meiner Rückkehr, diesen Artikel schreibe.

Der Alltag ist eingekehrt, ich habe nicht mehr viel drüber nachgedacht. Manchmal holen mich die Erinnerungen wieder ein, ziehen mich zurück nach Amerika. Doch jetzt lebe ich im hier und jetzt. Habe neue Kapitel begonnen und alte geschlossen. Ein neuer Abschnitt des Lebens,- und vor allem ein neues Ich ist entstanden. Ein besseres oder schlechteres, ich weiß es nicht. Ich weiß, dass ich für mich und mein Leben gelernt habe. Ich weiß, dass ich mich verändert habe. Und ich habe gelernt, Kapitel zu schließen, neue zu beginnen. Das Leben zu genießen, im hier und jetzt, für mich.